Wir stellen einen Paradigmenwechsel im Verständnis von urbanem Bauen zur Debatte: Denkanstösse, wie es 2050 der Stadt gelungen sein könnte, Hitzetauglichkeit, Biodiversität und Lebensqualität gleichzeitig zu steigern.
Die Stadt 2050, eine mögliche Zukunft:
Wir beginnen unseren Bericht aus der Zukunft mit einem Rückblick ins Jahr 2025. Es war – wieder – das heisseste Jahr seit Messbeginn. Der Unterschied war, dass 2025 unser Wohlbefinden noch mehr als sonst litt und besonders viele Personen gefährdete.
Eine neue Ortsplanung prägt unser Bauen und dauert jeweils 10 bis 15 Jahre. Daher war klar: Wenn wir 2050 unter den prognostizierten Klimaveränderungen angenehm leben und auch das Ziel von Netto Null erreichen wollten, mussten wir das dringlich und grundsätzlich angehen. Wir müssten die Bau- und Gestaltungsweise unserer Stadt ändern und neu aushandeln, was unsere Bauten, Anlagen und Infrastrukturen leisten, fördern, schützen und verhindern sollen. Mit dem Ziel, die hohe Lebensqualität in der Stadt trotz Trocken- und Hitzeperioden zu erhalten.
Die Stadt steht auf Grün
Damals haben wir im neuen Raumplanungsgesetz ein Ausgleichsmodell verankert: Immer wenn wir bauen, gleichen wir die Ökosystemleistungen aus, die wir damit einbüssen. Idealerweise auf dem Gelände selbst. Und wenn nicht, dann gelten wir sie mit jährlichen Zahlungen an die Stadt ab. Diese dienen dann zweckgebunden der Hitzeminderung und dem Klimaschutz.
Neues Gedankenmodell
Die Stadt steht auf einem definierten Bereich einer Naturlandschaft.
Darauf muss schonend und minimal gebaut werden: Versiegelung ist zu vermeiden, die verbaute Ökosystemleistung muss möglichst direkt ausgeglichen werden.
Bauen und Ausgleichen
Geben und Nehmen im Gleichgewicht
Die Ökosystemleistung sollte direkt ausgeglichen werden. Kann aber oft nicht, z.B. im Bestand. Doch es gibt auch weitere obligatorische und freiwillige Leistungen, die für die Baufreigabe zählen.
Eine Leistungsbilanz und Kompensationen durch positive und negative Geldanreize sorgen für faire Lastenverteilung in der Stadt.
Lebensraum statt Strassenfläche
Grün beginnt im Quartier
Innerhalb der autofreien Quartierblöcke sind nur bestimmte Zubringer erlaubt, parkiert wird ausserhalb in Parksilos. Dafür ist der ÖV feinmaschiger ausgebaut.
Das schafft Raum und Heimat für Pflanzen, Tiere und Menschen.
Wege im Grün
Für die Erschliessung im Quartier gilt minimalste Befestigung – für viel Grün und Versickerung.
Und je schwächer die Verkehrsteilnehmenden, desto höher die Wegpriorität.
Wasser in Kreisläufen nutzen
Damit wir genügend Wasser haben, begannen wir unser leicht verschmutztes Haushaltswasser aufzubereiten. Früher floss das in grossen Mengen durch die Kanalisation ab.
Heute steht es uns und den natürlichen Kreisläufen mehrfach zur Verfügung. Wir spülen damit unsere Toiletten, waschen unsere Wäsche und wir können damit unsere Pflanzen bewässern. So kommen sie nicht in den Trockenstress, sondern können verdunsten und kühlen ihre Umgebung.
Möglichst jedes Quartier hat Wasserfilter und -speicher, von dem wir Betriebswasser beziehen. Ausserdem verdunstet es in den Kühlbrunnen aus Ton. Diese haben sich als beliebte Treffpunkte in den Quartieren etabliert.
Speichern, Wiederverwenden, Abgeben, Verdunsten, Versickern
Regen dient den Pflanzen, dem Boden, dem Grundwasser. Er wird zurückgehalten oder versickert. Alle Städtischen Flächen – auch Wege und Strassen – sind dafür ausgelegt.
Fliessgewässer sind geöffnet und kühlen sonst überhitzte Quartiere.
Haushaltsabwässer werden dezentral aufbereitet und erneut als Betriebswasser genutzt, für die Gebäude- oder Freiflächenbegrünung verwendet, oder an die Quartierwasserspeicher abgegeben.
Fassaden und Dächer mit Leistungsauftrag
Früher war es normal, dass Gebäude konsumierten und verbrauchten. z.B. Land oder Strom. Heute bauen wir produzierende Gebäude.
Die zentrale Frage dabei: Was leistet ein Gebäude für Mensch und Natur? Welchen Einfluss hat es auf seine Umgebung und wie nutzen wir das positiv?
Fassaden werden nun genutzt, um diesen Leistungsauftrag zu erfüllen. Sie produzieren Strom oder kühlen die Umgebung. Häufig auch kombiniert: Zum Beispiel sind die unteren Stockwerke begrünt und in den oberen wird Strom produziert. Auch Dächer sind meistens intensiv begrünt und mit PV Modulen ausgestattet.
Die typischen Fassaden der 00er Jahre sind recht unbeliebt geworden: funktionslose vollflächige Verglasungen oder Betonwüsten mit hoher grauer Energie. Keine Architektin, die was auf sich hält, baut noch so.
Aber sie prägen noch immer unsere Städte. Wir konnten natürlich nicht alles neu bauen.
Was uns von Anfang an auch klar war: Die Hitzeanpassungen dürfen den Klimawandel nicht verstärken. Netto Null ist zentraler Bestandteil der Bauvorgaben. Eine CO₂-Bilanzierung von Neu- und Umbauten ist Pflicht und wann immer möglich, wird mit dem Bestand gearbeitet.
Zum Beispiel können Bestandsbauten mit einem vorgelagerten begrünten Gerüst aufgewertet werden. Dafür darf auch der Grenzabstand überschritten werden. Es kann Gehwege einschliessen, dann schafft es gleichzeitig öffentliche, kühle Arkaden.
Gebäudeaussenflächen bilden öffentlichen Raum
Sie sind in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Für die Hitzeminderung in und um das Gebäude, die Biodiversität, zur Solarstromgewinnung und Energieersparnis, für den Klimaschutz, für Aufenthaltsqualität und als Begegnungsbereiche.
Multidimensional planen und bauen
Wir haben gelernt, weder die Bauten noch das Regelwerk dazu als statisch denken. Bauen ist noch komplexer und mehrschichtiger geworden. Den ehemaligen Zonenplan haben wir zu einem multidimensionalen und adaptiven Raumplan weiterentwickelt.
Wir planen damit auch Biodiversitätskorridore, Kaltluftströme und den Untergrund.
Planungsinstrumente für ganzheitliche Integration
Der multidimensionale Raumplan vereinigt die Aspekte stätischen Bauens zu einem Bezugsgerüst.
Das Modell simuliert laufend die gegenseitige Beeinflussung der Faktoren – auch im Laufe der Jahreszeiten – und ermöglicht nicht nur rollende Planung sondern auch die Justage des Regelwerks selbst.
Umdenken und Zukunft wagen
Wir haben auch unsere Lebensweise verändert. Im Sommer passen wir unsere Arbeitszeiten an und planen unsere Aktivitäten möglichst mit den Temperaturen.
Zur Entlastung haben wir öffentlich zugängliche Innenräume geschaffen, die passiv oder auch aktiv gekühlt werden. Auch im öffentlichen Aussenraum findet man immer wieder verschattete und kühle Orte zum Sein.
Durch die Vielseitigkeit haben wir ein resilientes System, das uns auch bei einem Stromausfall nicht zusammenbricht.
Ich denke, die wenigsten Prinzipien werden neu für Sie sein. Entscheidend für uns war, aus dem ewigen Entwickeln ins Umsetzen im grossen Massstab zu kommen.
Im Sommer ist es weiterhin heiss. Aber das Schöne ist, wir haben die Lebensqualität in der Stadt auch für alle anderen Tage erhöht.